George Leitmann
ein großer Wissenschaftler und Freund
Vor rund eineinhalb Menschenaltern, wenn man die Maßstäbe der Antike anlegt, also in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts, nach Maßstäben von heute eine halbe Ewigkeit, hatte der Laudator, damals noch ein junger Wissenschaftler, die Arbeiten besonders eines amerikanischen Wissenschaftlers mit Eifer und Hingabe studiert. Irgendwie ging es um optimale Trajektorien, vor allem um optimale Flugbahnen zu fremden Himmelskörpern.
Lange ist das her und doch: für den weiteren wissenschaftlichen Weg des Laudators sollte dieses Vorbild von der anderen Seite des Atlantik prägend werden, und für viele andere auch.
Er hat viele Bewunderer, dieser George Leitmann aus Berkeley, rund um die ganze Erdkugel sind sie zu finden, auf allen Kontinenten. Ob das überhaupt jemand hatte ahnen können in dieser zerrissenen Stadt, die Wien damals war und wo er vor 81 Jahren geboren wurde? Aber wer kann so etwas schon ahnen. Und wir alle sind dankbar, wem auch immer, daß der 15jährige Georg noch flüchten konnte, 1940, aus dem Land, über das sich Finsternis gelegt hatte und für so viele zur Hölle auf Erden wurde.
Sie haben ihn drüben in Amerika aufgenommen, leicht kann das nicht für ihn gewesen sein, man muß sie nur fragen all die vielen Emigranten, fragen über die schlimmen und beinharten Jahre des Neubeginns. Aber wenigstens waren sie dem Schlachthaus entronnen, zu dem Deutschland herabgesunken und verkommen war.
Als Lieutenant, Leutnant, ist er 1945 zurückgekehrt, er, dem hier jede „Wehrwürdigkeit“ abgesprochen worden wäre.
Er studiert in New York an der Columbia University, wird Master in Physik, der Krieg ist gerade 5 Jahre zu Ende. Dann geht er nach Kalifornien. In Berkeley wird er zum Doktor der Ingenieurwissenschaften promoviert.
Und was er dann gemacht hat von 1950 bis zum heutigen Tage, und wo er überall tätig war in hochrenommierten wissenschaftlichen Institu-tionen, das könnte leicht auf 2 oder 3 wissenschaftliche Karrieren verteilt werden, und jede einzelne davon wäre noch bedeutend genug.
George Leitmann hat Hunderte (ca. 300) von wissenschaftlichen Arbeiten veröffentlicht, und alle haben sie höchste Anerkennung gefunden. Da sind Arbeiten über Regelungstheorie, über die Theorie der Steuerungen, gerade der Optimalsteuerung; der Spieltheorie, der Theorie der Differentialspiele; Steuerungen von dynamischen Systemen bei Modellen, die Unsicherheiten aufweisen, das können Probleme der Nationalökonomie sein, aber auch Probleme aus der Technik, wie die Steuerung von Robotern und vielem anderem mehr.
Exzellente Lehrbücher hat er verfaßt, und er ist Herausgeber zahlreicher wissenschaftlicher Gesamtwerke. Mit Ehrungen ist er überhäuft worden; er ist ordentliches Mitglied der hochangesehenen National Academy of Engineering in den USA, auswärtiges Mitglied renommierter Akademien: der Akademie in Bologna, der Argentinischen Nationalen Akademie der Ingenieurwissenschaften, der Russischen Akademie der Natur-wissenschaften, der Georgischen Akademie der Wissenschaften, der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Alexander von Humboldt war auch Mitglied dieser Akademie. Und wo ist er nicht noch zum Mitglied ernannt worden.
Aber was ist das alles schon gegen seine Mitgliedschaft bei der Accademia Italiana della Cucina, der italienischen „Kochakademie“.
Der Humboldt-Forschungspreis wurde George Leitmann zuerkannt, und ihm die Humboldt-Medaille der Alexander von Humboldt-Stiftung verliehen. 1994 wurde er zum Präsidenten der Alexander von Humboldt Association of the United States of America gewählt. Mit dem Großen Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland wurde er aus-gezeichnet. Das war aber auch Zeit. Und ist noch viel zu wenig für das, was er für dieses Land getan hat. Komtur (Commendatore) des italienischen Verdienstordens ist er auch. Ehrendoktor der Technischen Hochschule Wien ist er, dazu der Universität von Paris und der Technischen Hochschule Darmstadt, und was nicht noch alles.
Sein Rat ist überall gesucht auf der Welt. Nein, nicht überall! Die ehemalige Bundesbildungsministerin Bulmahn hatte es abgelehnt, mit Leitmann zu sprechen. So ist oder war sie halt die deutsche Administration der Wissenschaft in Berlin. Andererseits, was mag es den berühmten George Leitmann kümmern, wenn personifizierte Mediokrität nicht mit ihm reden will?
Deutsche Wissenschaftler fanden die Tür immer offen bei ihm in Berkeley. Er hat viele von ihnen aufgenommen, ihnen Hilfe gegeben in dem manchmal doch rauhen Klima in den USA, nicht das meteorologische ist gemeint. Und nicht wenigen hat er den Weg geebnet in den Vereinigten Staaten.
Er wird verehrt und geliebt. Dieses abgegriffene Wort drückt es genau aus. Liebenswürdig, dabei voller Ironie, und sich selbst nimmt er davon nicht aus.
Und noch einen anderen George Leitmann gibt es. Der hat Märchen übersetzt. Chinesische Märchen, geschrieben von einem Ungarn in deutscher Sprache. George Leitmann hat sie ins Englische übertragen, in ein sehr poetisches Englisch, er, Leitmann, der in seinen wissen-schaftlichen Arbeiten eine nüchterne Sprache führt; aber Märchen brauchen eben anderes. Der „Mantel der Träume“ heißt es und erzählt vom Kaiser Ming Huang aus dem Hause Tang und seiner Frau Nai Fe, die schön war wie der Mond im Mai. Einen wunderbaren Garten hatte er, darin duftete es so süß, daß man den Wohlgeruch mit offener Hand aus der Luft schöpfen konnte wie Wasser aus der Quelle.
Er ist überall in der Welt zu Hause und wir wünschen, er möge noch oft kommen zu uns, er, George Leitmann, und seine Frau Nancy.